Samstag, 04.05.2024 15:44 Uhr

Ein Lehrer in Saudi - Teil 9

Verantwortlicher Autor: Theo Goumas Ar'ar, 23.04.2024, 18:01 Uhr
Nachricht/Bericht: +++ Reise & Tourismus +++ Bericht 1861x gelesen

Ar'ar [ENA] Ein Lehrer beschließt, das von der Wirtschaftskrise gebeutelte Europa für eine Zeitlang den Rücken zu kehren und sein Glück in Saudi-Arabien zu suchen. Er bewirbt sich als Englischlehrer und nach vielen Absagen, kommt doch noch eine Zusage, allerdings mit Vitamin B. Das ist der Beginn einer wunderbaren Reise in ein verschlossenes Land, das kaum jemand kennt. Eine wahre Geschichte in Teilen erzählt. Teil 9 der Saga.

Der Gesang des Imam weckt mich sanft, ich öffne die Augen und bleibe noch im Bett und warte bis der Wecker klingelt. Verschiedene Gedanken und Szenen gehen mir durch den Kopf. Der Supermarktbesuch war, wie eine gute Freundin sagt, wie ein Fenster ins Leben der lokalen Bevölkerung. Man sieht den Menschen bei etwas alltäglichen, etwas banalen zu und lernt einiges dazu. Ich war jedenfalls überrascht Bier zu sehen – alkoholfreies in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen die es bei uns nicht gibt. Einige westliche, darunter auch deutsche Brauereien, aber auch einige asiatische verkaufen hier Bier mit verschiedenen Früchten die bei uns gar nicht erhältlich sind.

Was noch positiv aufgefallen ist, ist die Tatsache wie zivilisiert und freundlich die Leute sind. Als die Durchsage mit dem Hinweis zur Betenszeit kam und die Lichter langsam ausgingen, schritten die Leute langsam zu den Kassen und hetzten nicht. Bei uns würden, kurz bevor der Supermarkt seine Pforten schließt und die entsprechende Durchsage gemacht worden ist, die Massen zu den Kassen rennen und alle würden wie die Verrückten durch den Supermarkt hetzen um ja alles einzukaufen und um als erster an der Kasse anzukommen. Diese Szenen habe ich öfters zu Hause in verschiedenen Supermärkten live miterlebt.

Etwas anderes war, dass die Männer auch Kinderwägen schieben und Kinder auf den Schultern tragen. In weiten Teilen Europas spricht man von verweichlichten Männern, die ihre Männerrolle vergessen haben. Na ja. Aber eine Angst bleibt. Die Angst Frauen anzuschauen. Was willst du denn sehen? Fragt mein Unterbewusstsein, sind doch eh alle verschleiert. Stimmt, aber ich habe immer noch Angst, dass wenn mein Blick auf eine Frau fällt, ein kleinwüchsiger Araber von irgendwoher auf mir springt, mich zu Boden reißt, irgendwas auf Arabisch schreit und ich mich in einem Kerker bei Wasser und Brot wiederfinde.

Bilder von Riad schießen mir durch den Kopf und wie sauber es dort war. In Ar’ar musste ich feststellen, dass es leider nicht so sauber ist. Man sieht Müll auf den Straßen liegen. Ob heute meine Reisetasche kommt? Als ich die Treppe runtergehe strahlt wieder die Sonne durch die Eingangstür und erhellt den Korridor in sanftem Orange. Draußen ist die Luft klar, kühl und trocken. Die Fahrt mit dem klapprigen Bus ist wieder ein Genuss. Auch heute werde ich den ganzen Tag im Büro verbringen. Als ich in einer der Pausen rausgehe, um Tee zu trinken und Luft zu schnappen, kommen einige Studenten auf mich zu, begrüßen mich und wollen sich mit mir fotografieren lassen.

Es werden unheimlich viele iPhones gezückt und schon machen die Bilder ihre Runde auf Instagram. Wie war das noch mal mit dem Fotografierverbot? Dass die Araber so technisch versiert sind wusste ich vorher nicht. Man denkt immer an Wüste, an Beduinen, an ein zurückgebliebenes Volk, an Taliban, Al Qaida, etc. Erfreulich, dass es nicht so ist. Mein ägyptischer Kollege ruft beim Flughafen an und erkundigt sich beim Pakistaner nach meiner Reisetasche. Er meint, dass sie immer noch in Ha’il ist und er nicht wisse wann sie kommt. Aber er bleibt dran.

Zu Mittag gehen wir in die Cafeteria zum Essen. Auf dem Schild über dem Eingang steht Cafetaria, hihihi! Als Lehrkraft darf man an den wartenden Studenten vorbei. Ich will das nicht und möchte mich hinten anstellen, aber die Studenten lassen mich nicht. Sie fordern mich auf nach vorne zu gehen und treten demonstrativ zur Seite. Ich bin wirklich gerührt. Meine Kollegen gehen automatisch an den Studenten vorbei. Bei manchen wirkt das arrogant, andere bedanken und entschuldigen sich bei den Studenten.

Das Angebot ist... RIESIG!!! Es gibt zwei Arten von Salat, Reis ohne etwas, Reis mit Soße und entweder mit Fleischstückchen oder Gemüse, Hähnchen (jeden Tag anders zubereitet: gekocht, gebraten, etc), Frühlingsrollen, Suppe, eine Gemüsebrühe die man entweder als Suppe essen oder sie sie aufs Essen als Soße gießen kann, Fladenbrot, Nachtisch, Obst und Getränke. All das für 5 Rial – weniger als 1 Euro!!! Wir Lehrer haben einen abgetrennten Raum für uns, der ist aber klein und meistens frostig und mit schlechter Luft, sodass einige Lehrkräfte draußen mit den Studenten sitzen. Auch das Management hat einen abgetrennten Raum zur Verfügung.

Am Nachmittag, nach der Arbeit, als wir zu Hause sind und frei haben, gehe ich mit einem Kollegen zur nahe gelegenen Tankstelle. Dort befindet sich auch ein Lebensmittelladen in dem man so ziemlich alles, außer Obst und Gemüse finden kann. Was mich erstaunt, sind wieder die Preise. Obwohl es ein Tankstellenladen ist, sind die Preise ähnlich oder dieselben wie im Supermarkt. Schmunzeln muss ich als ich feststelle, dass ein Liter Wasser soviel kostet wie ein Liter Benzin: 45 Halala, ca. 10 Cent. Fortsetzung folgt.

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